Ein Rückblick auf revolutionäre Zeiten? Nein! Abseits vom großen Geschehen in den Universitätsstädten bekamen wir „Dörfler“ von den Protesten gegen Vietnamkrieg und Notstandsverfassung wenig mit. Wir hatten einzig damit zu kämpfen, dass unsere Eltern an der Haarmode herumnörgelten und den populären Beat als Affenmusik ablehnten. Noch unduldsamer fiel ihr Urteil aus, wenn die eigenen Kinder in Bands den Vorbildern lärmend nacheiferten, also selbst Instrumente bearbeiteten und dazu in fremder Sprache trällerten. Auf finanzielle Unterstützung für Musikequipment konnten die Wenigsten von uns bauen, da den Eltern entweder das Verständnis oder das Geld fehlte. Mitunter ernteten wir sogar leichten Spott. Ich erinnere mich, dass mein Vater vom Flur der zweiten Wohnbau-Etage zu uns hoch rief, die wir auf dem Dachboden die ersten Griffe übten und den Refrain „oh no“ intonierten: „OMO heißt das, OMO!!“ Worauf meine Mutter ernsthaft nachfragte, wieso wir Waschmittel besängen... Doch uns Jungens hatte die Beatmusik gepackt. Während wir uns mit jugendlichem Enthusiasmus der Mucke hingaben und Auftritte vorbereiteten, brachte parallel dazu das Ehepaar Ernst und Helga Fern mittels Schwarz-Weiß-Fernseher erstmals die klassische Tanzschule in die elterlichen Wohnzimmer. So konnten Interessierte bereits 1965 neben dem Walzer den "fortschrittlichen "Blues" tänzerisch erlernen. Mit der Einschränkung, dass eine Tanzmusikkapelle die Mucke lieferte und keine Rock’n Roll- oder Beatband. --- siehe YouTubeVideo klick
Mit der Befragung einiger meiner Zeitgenossen möchte ich die aufregenden 60er Jahre und ihre Musik gern wieder ein wenig aufleben lassen. Natürlich erinnert jeder anders. Orte haben sich verändert, einstige Gebäude sind abgerissen, geschlossen oder ersetzt worden. Jeder Mensch ist zudem von seinen individuellen Entwicklungen geprägt, die wiederum milieuabhängig starten. So wird nicht immer erzählt, wie es wirklich war, sondern wie man sich entsinnt.
Als Ersten bat ich Hans-Joachim „Hansi“ Schnabel, einen Schulkameraden aus meiner Heimatstadt, mir seinen musikalischen Werdegang zu schildern einschließlich des einstigen Milieus rundherum. Ferner erzählt Hansi von seinem Wechsel zu den Toochboys, eine in der hiesigen Region sehr beliebte Tanzband. Sein musikalisches Engagement dauerte bis 1993 an, also insgesamt dreißig Jahre!! Eine beeindruckende Leistung.
Danach widmete sich Hansi zusammen mit seiner Frau Uta bis zum wohlverdienten Ruhestand 2016 ausschließlich der eigenen Massage- und Bäderpraxis. c/2015
Im März 2021 erschien in der GZ ein Artikel mit Erinnerungen von Hansi an den ehemaligen Herkuleskeller.--- Klick